Frauen und Reizdarm

von | Jun 30, 2024 | Darm, Darmgesundheit, Frauen, Hormone, Therapie | 0 Kommentare

Frau spricht nicht über Darmprobleme! Wenn Frauen sich mit Darmproblemen wie Verstopfung, Durchfall oder Blähungen herumschlagen, wird das häufig erst einmal nicht thematisiert. So ging es mir übrigens jahrelang und jahrelang traute ich mich nicht, zu einem Arzt zu gehen oder einen Vertrauten anzusprechen. Das ganze Thema war mir viel zu peinlich. Als Frau möchte man sich am liebsten gar nicht mit dem Thema Stuhlgang beschäftigen, was da raus kommt wird schnell erledigt, schnell in der Toilette weggespült und es wird schnell das Fenster geöffnet und ein Düftchen versprüht. Am besten ist man beim großen Geschäft sowieso alleine zuhause, auf keinen Fall aber auf der Arbeit, schon gar nicht unterwegs und erst recht nicht bei Fremden! Was sollen denn die anderen denken?

Während dein Freund seine tägliche ein-stündige „Sitzung“ mit Zeitung und Handy abhält, quälst du dich mit Bauchkrämpfen, bis du endlich alleine bist und schnell zur Toilette kannst.

Pieseln ist erlaubt – kacken nicht

 

Frauen und der Reizdarm

Blöd nur, dass Frauen doppelt so häufig an einem Reizdarm leiden wie Männer. Vor allem junge Frauen, zwischen 20 und 25, Frauen nach einer Schwangerschaft, generell Frauen im geschlechtsfähigem Alter – also vor der Menopause.

Reizdarm wird bei uns immer noch als Ausschlussdiagnose behandelt, meistens stellt dein Arzt die Diagnose nach einer Magen-Darm-Spiegelung, wenn chronisch-entzündliche Erkrankungen und Krebs ausgeschlossen wurden. Wenn du erstmal den Stempel „Reizdarm“ hast, bist du schnell in der Psycho-Schublade. Dann gibt’s nur noch Iberogast und Antidepressiva.

Tatsächlich korreliert eine Reizdarmerkrankung häufig mit depressiven Störungen, diese sind aber nicht unbedingt die Ursache. Eine starke Reizdarm-symptomatik kann sich extrem auf deine Stimmung und dein psychisches Wohlbefinden auswirken, Reizdarm bedeutet Stress für Betroffene und das häufig jeden Tag!

Symptome wie Verstopfung (deutlich häufiger bei Frauen), Bauchschmerzen, Blähungen und ein aufgeblähter Bauch sind typische Symptome. Zudem korreliert der Reizdarm bei Frauen mit Migräne, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Beckenschmerzen und Blasenentzündungen.

REIZDARM

Eigentlich ist Reizdarm eine Störung aus komplexen Zusammenhängen mit Faktoren wie Stress, Umwelt, biologischen Mechanismen, Hormonen, Mikrobiomveränderungen, Entzündungen und Darmschleimhautpermeabilitätsprobleme. Ein Großteil der Reizdarm-diagnostizierten leidet unter einer Dünndarmfehlbesiedlung bzw. SIBO (small intestinal bacterial overgrowth syndrome). Bei vielen Reizdarm-Betroffenen finde ich außerdem Mikrobiomstörungen, eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut (leaky gut) oder Störungen der Verdauungsleistung. Wichtige Stuhlparameter oder ein Atemgastest auf SIBO, werden in der Allgemeinmedizin leider immer noch viel zu selten veranlasst, dabei könnte man hier sehr gut mit einer lösungsorientierten Behandlung ansetzen.

Reizdarm und Psyche

Aber trotzdem: Bei einem Reizdarm scheint eben auch die Darm-Hirn-Achse eine immense Rolle zu spielen, diese beeinflusst unter anderem die Darmbewegung (Motilität), die Sekretionsleistung im Darm und die Immunfunktion. Bei Reizdarm scheint Stress den Darm stärker zu beeinflussen. Traumatische Erfahrungen in der Kindheit und das Erleben sexueller Gewalt erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Reizdarm, umgekehrt hatten Reizdarmpatienten häufiger traumatische Erlebnisse in der Vorgeschichte als Gesunde.

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Frauen und Reizdarm

Ich hatte ja bereits erwähnt: Frauen leiden bei einem Reizdarm häufig unter Verstopfung (zeigt auch meine Praxiserfahrung). Gründe dafür könnte die weibliche Anatomie des Darms sein, der weibliche Darm ist nämlich länger als bei Männern und liegt nah am Becken. Die Länge könnte Verstopfung begünstigen und die Lage könnte eine Ursache für chronischen Beckenschmerz und / oder Schmerzen während der Menstruation sein. Bei starken Menstruationsschmerzen kann es deswegen hilfreich sein, den Darm kurz vor der Menstruation nicht zu voll zu packen. Wer in diesem Zeitraum auf leicht-verdauliche Speisen und eine leicht kalorien-reduzierte Kost setzt, spürt häufig schon eine Verbesserung.

Übrigens leiden 20-50% der Reizdarm-geplagten Frauen unter PMS und Menstruationsschmerzen. Hier könnten auch erhöhte Entzündungsfaktoren eine Rolle spielen.

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Was uns auch schon zu den Hormonen führt…

Vor allem die Eierstockhormone Progesteron und Östrogen haben beim Darm ihre Finger im Spiel und glaub mir – es ist kompliziert! Und alle Zusammenhänge sind bis jetzt nicht aufgedeckt. Das Auf- und Ab der Hormone im weiblichen Zyklus, kann Reizdarm-geplagte Frauen auf eine Achterbahnfahrt der Symptomvielfalt schicken.

Versuche an Ratten zeigten sowohl durch Progesteron, als auch durch Östrogen eine verzögerte Darmentleerung, also eine schlechtere Darmbewegung. Für Progesteron ist dieser Effekt schon länger bekannt, denn dieses Hormon scheint die Kontraktion der glatten Darmmuskulatur zu reduzieren. Du kennst das vielleicht? Wenn die Progesteronlevel nach dem Eisprung ansteigen, steigt auch die Tendenz für Verstopfung und nach Abfall der Progesteronlevel mit Einsetzen der Menstruation, kommt es plötzlich zu Durchfall.

Wissenschaftler vermuten bei weiblichen Reizdarmpatienten eine Überexpression von Progesteron-Rezeptoren im Darm, was zu Verstopfung führen könnte, aber wie gesagt, ganz so genau wissen wir noch nichts.

Beide – also Östrogen und Progesteron haben Einfluss auf die Sekretion im Darm, auf Sensitivität und Schmerzwahrnehmung, Immunfunktion, Entzündung und die Transitzeit.

Östrogen kann so ziemlich alles: Entzündungshemmend, entzündungsfördernd, je nach Östrogenspiegel, Zelltyp, Entzündungsfaktoren, Gewebeart etc. Besonders die Darm-Hirn-Achse wird durch Östrogene moduliert. Eventuell spielen also bei Reizdarm auch Hormonstörungen ein Rolle? (Ich bin mir da sogar ziemlich sicher).

Verstopfung ist eines der häufigsten Symptome bei Frauen mit Reizdarm! Frauen leiden häufig unter einem aufgeblähtem Bauch, an Blähungen und Schmerzen im Bauch und Beckenbereich und Reizdarm und Schmerzen während der Periode haben eine starke Korrelation, also – was kannst du tun?

Diagnose Reizdarm?

Wichtig ist zunächst eine Diagnose und wenn du dich schon getraut hast einem Arzt von deinen Beschwerden zu berichten und bereits Standarduntersuchungen und eine Spiegelung gemacht wurden, dann geht es jetzt auf Spurensuche.

Diagnosen ausschließen:

  • Zöliakie
  • Laktoseintoleranz (Ausschlussdiät testen)
  • Schilddrüsenstörung (vor allem eine Unterfunktion kann zu Verstopfung führen!)
  • Parasiten, Bakterielle Pathogene, Giardien (vor allem bei Durchfall)
  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (M. Chron und Colitis Ulcerosa)
  • Krebserkrankungen
  • Reiseerkrankung? Infektion (häufig Auslöser eines Reizdarmes / einer SIBO)

Weitere Diagnostik:

  • Je nach Symptomen, Test auf Dünndarmfehlbesiedlung (aktuell über Atemgastests)
  • Stuhlprobe (u.a. pH-Wert, Mikrobiom, Verdauungsrückstände, Gallensäure, Pankreasmarker, Immunsystem-assoziierte Marker, Leaky-Gut Marker, Entzündungsmarker…)
  • Blutwerte (je nach Symptomatik, hier spielt z. B. die Einnahme der Pille eine Rolle, aber auch deine Lebensweise, deine Ernährung, Stresslevel usw.)
  • Erfassung des Symptommusters (In einer Anamnese wird erfasst, welche Symptome auftreten, wie stark, welche Cofaktoren es gibt und wie der Verlauf der Symptomatik ist.)
Die Diagnose „Reizdarm“ ist schnell gestellt, aber häufig nicht spezifisch genug und selbst wenn du einen sensiblen Darm hast, gibt es viele natürliche Möglichkeiten um Symptome zu lindern! Trau dich, das Thema anzusprechen und dir Hilfe zu suchen, denn du bist mit nicht allein auf der Welt mit diesen Problemen!
Deborah Rittwagen

Quellen

Mulak A, Taché Y, Larauche M. Sex hormones in the modulation of irritable bowel syndrome. World J Gastroenterol. 2014 Mar 14;20(10):2433-48. doi: 10.3748/wjg.v20.i10.2433. PMID: 24627581; PMCID: PMC3949254.

Lee SY, Kim JH, Sung IK, Park HS, Jin CJ, Choe WH, Kwon SY, Lee CH, Choi KW. Irritable bowel syndrome is more common in women regardless of the menstrual phase: a Rome II-based survey. J Korean Med Sci. 2007 Oct;22(5):851-4. doi: 10.3346/jkms.2007.22.5.851. PMID: 17982234; PMCID: PMC2693852.

Roisinblit KC. Irritable bowel syndrome in women. J Midwifery Womens Health. 2013 Jan-Feb;58(1):15-24; quiz 116-7. doi: 10.1111/j.1542-2011.2012.00200.x. Epub 2012 Dec 27. PMID: 23279011.

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